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Talk // Binh Le: „Meine Ashtanga Yoga Praxis ist meine Meditation“

19. Juli 2016
Ashtanga Yoga

Mit sechs Jahren begann Binh Le seine Ausbildung an einer Shaolin Kung Fu Schule. Begeistert von der Tiefe der Kampfkunst wechselte er nach sechs Jahren zum traditionellem Taekwondo. Sein Streben, physisch und mental noch mehr gefordert zu werden, brachte ihn zum Parkour, einer damals noch unbekannten Sportart. Für einige Jahre tourte Binh durch Europa und unterrichtete in den großen Metropolen. Nach Jahren der körperlichen Disziplin und Selbstbeherrschung war seine Sehnsucht nach geistiger Freiheit nicht gestillt. In dieser Phase kam er in Berührung mit Yoga und Schamanismus. Mehrmonatige Aufenthalte in Indien führten ihn zum Ashtanga Vinyasa Yoga nach der Tradition von Sri K. Patthabi Jois. Bei seinem momentanen Lehrer Petri Räisänen praktiziert er zur Zeit die dritte Serie. Binh unterrichtet traditionell Mysore, Led Classes und Ashtanga Yoga Workshops auf der ganzen Welt.

Wie bist du zum Yoga gekommen?

Ich glaube, um 2008 oder 2009 herum habe ich mit Yoga angefangen. Meine damalige Freundin war Yogalehrerin und hat mich für das Thema sensibilisiert. Ich muss gestehen, dass mich Yoga vorher nie interessiert hat, weil ich zu der Zeit noch aktiv Parkour und Kraftsport trainiert habe. Da ich weder kurz vor einem Burnout stand, noch auf Sinnsuche war, hat mich Yoga nie angezogen. Ziemlich zügig habe ich mich dennoch in diese Yogawelt verliebt. Damals, und wahrscheinlich wohl noch heute so, wenn etwas meine Leidenschaft entfacht, investiere ich meine gesamte Zeit und Energie. Im selben Jahr bin ich für fast ein halbes Jahr nach Indien geflogen, habe eine Yoga Ausbildung in Mysore gemacht, bin durch das Land gereist, um mit verschiedenen Lehrern aus unterschiedlichen Stilen Unterricht zu nehmen. Am Ende der Reise habe ich meinen jetzigen Ashtanga Lehrer Petri Räisänen in Goa kennengelernt.

Wie hat Yoga dein Leben verändert?

Das ist schwierig für mich zu beantworten. Ich habe mich etwa zur selben Zeit für Schamanismus interessiert und viel Zeit damit verbracht, mir persönliche Dinge anzuschauen und zu verarbeiten. Die Trennlinie zwischen diesen beiden Welten verschwimmt für mich, ich kann nicht mit Sicherheit sagen, wie sehr Yoga mein Leben tatsächlich beeinflusst hat. Die physische Praxis erlaubt es mir, meine körperlichen Blockaden, die meiner Meinung nach alle seelischen Ursprungs sind, genauer zu betrachten und mich damit auseinanderzusetzen. Meine Erfahrungen im Schamanismus jedoch helfen mir, diese einzelnen Fragmente holistischer, also im Gesamtkonzept zu betrachten und zu verstehen – und wenn ich mal einen guten Tag habe…zu verarbeiten.   Ashtanga Yoga

Was bedeutet für dich Disziplin?

Disziplin ist ein schönes Werkzeug, um an seiner persönlichen Kraft zu arbeiten. Damit meine ich nicht nur den Körper, sondern den Willen und die Vision, die man von sich hat, zu schärfen und zu festigen. Disziplin ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Es kann dich sehr weit nach vorne bringen, physisch betrachtet, Dich aber gleichzeitig von Deiner Selbst trennen. Viele benutzen Disziplin als Vorwand, sich selber nicht mehr fühlen zu müssen. Zu Sehen wann das der Fall ist, hat in meinem Fall einige Jahre gedauert und ist eine Kunst für sich. Aber wie mein lieber Freund und Lehrer mir mal während einem von meinen vielen manischen Ashtanga Yoga Praxis Momenten gesagt hat:

Man muss so diszipliniert sein, um auch mal nicht diszipliniert sein zu müssen.

Meditierst du?

Meine Ashtanga Yoga Praxis ist meine Meditation. Ich habe zwar keine Probleme, mich hinzusetzen und für eine Zeit zu meditieren, persönlich aber empfinde ich meine Praxis als sehr tiefe und ehrliche Reise in meine Welt.

Was ist deine größte Herausforderung als Yogalehrer?

Wenn ein Praktizierender sich nicht zu 100% commited während der Stunde. Wenn ich unterrichte, hat jeder meine volle Aufmerksamkeit und Unterstützung. Mein Commitment ist über die 90 oder 120 min Klassen ständig auf hohem Niveau. Im Gegenzug dazu erwarte ich, dass jeder sein Bestes gibt. Das bedeutet nicht, dass plötzlich super fortgeschrittene Asanas rausgehauen werden müssen oder 20 Drop Backs in einem Atemzug. Aber eine gewisse Ernsthaftigkeit und ehrliche Praxis setze ich voraus. Wenn die nicht gegeben ist, kann mir schon mal der Gleichmut fehlen.Ashtanga Yoga

Was bringt dich so richtig schön auf die Palme?

Unehrlichkeit. Ich glaube, ich kann relativ schnell spüren, ob etwas authentisch ist oder nicht. Normalerweise interessiert es mich herzlich wenig, ob jemand nun ehrlich zu sich und anderen ist oder nicht, wenn er aber in direktem Kontakt mit mir steht, sei es auf der Matte oder im Leben…nun, da ist meine Geduldspanne sehr, sehr gering. Außer ich teile mit ihnen eine tiefe Verbundenheit, dann haben sie alle Zeit der Welt.

Ein von Binh Le (@bohemianyogi) gepostetes Foto am

 

Welches Buch hat dich nachhaltig berührt?

Der Alchimist (Paolo Coelho), Shantaram (Gregory David Roberts), Alaska Kid (Jack London). Diese drei Bücher haben mich als Kind sehr fasziniert – und tun es jetzt immer noch. Handeln sie doch alle von Menschen, die über sich hinaus gewachsen sind und für ihr Glück bereit sind alles zu geben.

Was ist dein Schlüssel zum Glück?

Ohne dem üblichen, spirituellen mumbo-jumbo: Finde Deine Leidenschaft, wofür Du bereit bist, alles zu geben, und versuche (so gut es geht), jeden Moment in all seinen Facetten und Darstellungen staunend zu betrachten.

Ah. Und mach nur das, worauf Du wirklich Lust hast. Alles andere ist eine Verschwendung kostbarer Zeit.

www.yogabinhle.com

Danke, Binh!

Foto 2 & 3 // Marcus Schäfer für OGNX

Madhavi Guemoes
Madhavi Guemoes dachte mit 15, dass sie das Leben vollständig verstanden habe, um 31 Jahre später zu erkennen, dass dies schier unmöglich ist. Sie arbeitet als freie Autorin, Aromatherapeutin, Podcasterin, Bloggerin und Kundalini Yogalehrerin weltweit und ist Mutter von zwei Kindern. Madhavi praktiziert seit mehr als 30 Jahren Yoga - was aber in Wirklichkeit nichts zu bedeuten hat.
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