Es gibt Gedichte, die mich immer wieder berühren. Die mir ständig begegnen. Etwas mit mir machen. Dieses Gedicht gehört zu meinen liebsten, es ist für mich immer wieder ein Aufruf, auf mich zu achten. Ich möchte es gern mit euch teilen:
Schale der Liebe
Wenn du vernünftig bist, erweise Dich als Schale und nicht als Kanal,
der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet,
bis sie gefüllt ist.
Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt,
ohne eigenen Schaden weiter.
Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen,
und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott.
Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser
gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See.
Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen und dann ausgießen.
Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen,
nicht auszuströmen.
Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst.
Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst,
wem bist du dann gut?
Wenn du kannst, hilfe mir aus deiner Fülle.
Wenn nicht, schone dich.
Bernhard von Clairvaux