Als ich Gabriela Bozic in Berlin-Mitte an einem der wenigen lauen Sommertage in diesem Jahr treffe, wirkt sie quietschvergnügt wie immer und dass, obwohl sie schon wieder paar Nächte nicht geschlafen hat. Ihr Sohn zahnt wie verrückt. Sie drückt ihn mir in die Arme, und ich überlege mir eine Sekunde lang, ob ich nicht doch ein drittes Kind bekommen sollte, weil er so knuffig ist. Gabriela hat auch ihren Mann mitgebracht und es wird schnell klar, dass es sich hier um ein eingespieltes, völlig gleichberechtigtes Team handelt. Gabriela Bozic ist eine der beliebtesten Yogalehrerinnen Deutschlands und auch international bekannt für ihren lebensbejahenden Unterrichtsstil. Das Interview findet dann aber doch erst später statt, denn wir genießen den Tag, der viel zu schnell endet.
Als wir uns das letzte Mal sahen, warst du hochschwanger. Was hat sich seit der Geburt deines Kindes verändert?
Alles. Ich hätte mir diese Ebene der Liebe und des Erschöpftseins nie und nimmer vorstellen können. Es hat sich tatsächlich so viel verändert, dass mir manchmal der Halt und die Orientierung meines alten Lebens fehlt. Ich finde es aber gleichzeitig sehr aufregend und bin endlos dankbar für die Lektionen, die ich nur durch diese Erfahrung lernen konnte und kann.
Du wirkst sehr bei dir angekommen, wie fühlst du dich als junge Mutter?
Ich fühle so viele Sachen gleichzeitig oder im schnellen Wechsel, bin sehr glücklich, voller Liebe und gleichzeitig sehr unsicher. Ich habe eine Riesenangst vor der Verantwortung für dieses zarte Wesen. Etwas später fühle ich mich ganz souverän, entspannt und fröhlich. Drei Sekunden danach bin ich komplett überfordert und kann die Tränen nicht mehr halten. Ich würde sagen, der ganz normal alltägliche Gefühlschaos einer neuen Mutter, die sich immer noch in ihrer neuen Rolle findet und körperlich, hormonell und geistig noch einiges verarbeiten und ausbalancieren muss.
Mal ehrlich, hat dir deine stetige Yogapraxis etwas bei der Geburt deines Sohnes gebracht?
Ja und nein. Ich konnte mich mit dem Atem, Mantra oder bestimmten Bewegungsabläufen am Anfang beruhigen. Als es ans Eingemachte ging, war das alles dahin. Was tatsächlich geholfen hat, war der Glaube an etwas Höheres, das mir wohlwollend ist, also der Bhakti-Aspekt des Yoga und der Gedanke an alle Frauen vor mir, die das mitgemacht haben. Daraus habe ich die Kraft und die Hoffnung geschöpft.
Du warst nach der Geburt sehr schnell wieder fit. Was ist dein Geheimnis?
Es ist wichtig zu verstehen, dass es nach der Geburt nicht darum geht, den Körper, den wir vorher hatten, zurückzugewinnen oder Gewicht zu verlieren. Manche Frauen verlieren leicht Gewicht, manche brauchen länger. Einige machen Sport und üben Yoga seit Jahren, so wie ich, manche noch nie. Jeder Körper ist anders gebaut und ist ein Wunder für sich. Jeder Körper hat ein anderes Tempo bei dem er heilt.
Wir müssen das respektieren, sonst werden wir in endloser Frustration enden. Diese Zeit ist viel wichtiger auf einer anderen, tieferen Ebene und bietet wertvolle, gar einzigartige Wachstumsmöglichkeiten. Es geht darum, die neue Rolle als Mutter voll und ganz zu akzeptieren, sich im Körper und Geist stark, geerdet und ausgeglichen zu fühlen, um dieses neue Kapitel des Lebens mit Anmut und Freude leben zu können.
Was tatsächlich geholfen hat, war der Glaube an etwas Höheres.Click To TweetSelbstverständlich ist Bewegung auch sehr wichtig. Aber es muss nicht immer eine schweißtreibende Yoga- oder Fitnessstunde sein. An manchen Tagen haben mir ein Spaziergang, eine kurze, regenerierende Yogasession, Meditation oder Yoga Nidra mehr geholfen.
Was hat dich besonders während deiner Schwangerschaft unterstützt?
Regelmäßige Akupunktur, Ayurveda Massagen, gutes Bio-Essen, das unser Hormonsystem unterstützt. Warme Suppen zum Beispiel. Natürlich habe ich dem schwangerschaftsbedingten Heißhunger nachgegeben, aber man sollte ihn nicht als Ausrede und Ersatz für die nicht verarbeiteten Gefühle oder Frust nehmen. Das ist kontraproduktiv. Ein großes Stück Kuchen ist meist genug, man braucht wirklich keine zwei.
Ich habe auch viel geschrieben, wie es mir geht, was ich fühle, was ich an Schwangerschaft liebe, was ich fürchte. Wichtig ist, dass es komplett ungefiltert ist. Erst dann kommt die Wahrheit raus und man versteht sich selbst wieder. Yoga natürlich auch, aber den neuen Umständen angepasst.
Gibt es ein Buch, das du schwangeren Yoginis empfehlen möchtest?
Den Klassiker Bountiful, Beautiful, Blissful von meiner Lehrerin Gurmukh, Die Hebammenspreschstunde, Mindful mom-to-be von meiner lieben Freundin Lori Bregman. Das Buch gibt es leider nur auf Englisch, lässt sich aber ganz leicht lesen, darin sind viele tolle Übungen. Die ersten 40 Tage von Heng Ou fand ich auch gut und Das Wochenbett vor Loretta Stern.
Du bist gerade in Los Angeles und unterrichtest schon wieder. Deine kleine Familie ist dabei. Wie bekommst du das alles auf die Reihe?
Ich habe einen guten Mann, der mich unterstützt. Ich habe auch eine große Liebe und Enthusiasmus für meinen Beruf, sodass ich ihn nicht als lästige Arbeit empfinde. Der Rest ist Organisation, Fleiß, Familie und tolle Freunde. In Kalifornien leben zwei sehr gute Freundinnen, die mir mit dem Unterkunft und dem ganzen babytauglichen Setup geholfen haben, sodass es überhaupt möglich war, zu unterrichten. Trotzdem stoße ich ständig an meine Grenzen, disponiere um und mache wesentlich weniger als ich es sonst tun würde.
Was kommst du wieder in die Gänge, wenn du die ganze Nacht keinen Schlaf bekommen hast?
Die Liebe macht es möglich. Die Hormone. Auch der Kaffee. Ich gehe viel raus an die frische Luft. Ich gebe vor allem die Vorstellung auf, dass ich all das erledigen kann, was ich an einem Tag vorhatte. Überhaupt zu akzeptieren, dass man nicht mehr so selbstbestimmt ist wie früher, manche Freiheiten nicht mehr hat, war meine große Lektion. Immer auf Achse und immer mitmischen geht nicht mehr. Auch wenn es mir schwerfällt, merke ich auch, wie gut es mir tut. Demut und Hingabe, die damit zusammenkommen, sind sehr wertvoll für meinen persönlichen Wachstum. Auch mein Unterricht profitiert sehr davon.
Wie hat sich deine Yogapraxis im Allgemeinen verändert?
Insgesamt langsamer und sanfter. Ich lege noch mehr Wert auf den Atem, die Meditation und das Gebet. Durch das Wunder der Geburt ist mir bewusster geworden, was für ein Geschenk das Leben ist. Wenn man immer an höher, schneller, weiter denkt, verpasst man den Augenblick und somit das Leben. Ich finde tiefer, langsamer und näher gerade sehr aufregend und viel intensiver.
Wie sehen deine Pläne für 2018 aus?
Ich werde weniger reisen als vor dem Baby, das ist natürlich klar. Trotzdem gibt es wieder meine Klassiker wie das Retreat auf Kreta, meine Frauengruppe oder ausgewählte Workshops. Ich möchte gerne ein Konzept erarbeiten, wie ich meine Yogaphilosophie-Vorträge online anbieten kann und endlich meine Schwangerschaftsvideos vertonen. Mal gucken wie mein Sohn das alles findet, und wieviel Zeit er mir dafür erlaubt.
Mehr über Gabriela Bozic findet ihr auf ihrer Webseite.
© Titelbild Christian Krinninger
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