Als ich meine erste Yogalehrer Ausbildung auf den Bahamas durchlief, war ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung Karma Yoga, was das ist, erkläre ich weiter unten. Wir wurden zu Beginn des Trainings in kleine Grüppchen eingeteilt. Es herrschten 40 Grad, eine leichte Meeresbrise, und der Feldwebel, pardon, Swami (Yoga-Meister) auf dem Podest im Meditationstempel las laut unsere Dienste für die nächsten vier Wochen vor.
Ich war blutjung, im Geiste alles andere als biegsam, selbstloses Dienen war bisher nicht so mein Ding. Nicht, dass ich nicht gern half. Karma Yoga kam mir am Anfang nur vor wie eine saftige Strafe, der man nicht entkommen kann.
Ich ging im Kopf meine Vorlieben durch. Ich hätte zur Not die Toiletten geschrubbt, die Leute um 5 Uhr geweckt, leckere Yogakekse in der Küche gebacken, alles Tätigkeiten, die mir nichts ausmachen. Doch da Karma Yoga ja bekanntlich ein wenig das Ego aufbrechen soll, bekam ich eine Aufgabe, die mir absolut nicht lag: Ich war ab sofort für alle Pflanzen im Ashram verantwortlich. Alle waren neidisch, doch für mich war es eine Katastrophe. Wer mich kennt, weiß, dass ich es nicht mal schaffe, einen Kaktus am Leben zu halten.
Im Ashram gab es einen Tomatenstrauch, der sehr behutsam behandelt werden sollte, damit er am Ende strahlende Früchte hervorbringt. Es hingen exakt drei Tomaten am Strauch, doch die machten mir die nächsten Wochen das Leben zur Hölle.
Was ist Karma Yoga?
Karma Yoga gehört zu den vier Hauptpfaden im Yoga und soll den Schüler von Egoismus, Arroganz, Eifer- und Selbstsucht befreien. Es erfordert Gleichmut in Erfolg und Misserfolg. Gern nennt man Karma Yoga auch „Yoga der Tat“. Wer sich schon mal darin geübt hat, der weiß, dass es gar nicht so einfach ist.
Wer verschenkt schon gern seine knappe Zeit, um zu helfen? Ohne etwas zu erwarten, oder sich ausgenutzt zu fühlen? Und wenn es nur ein fades Dankeschön ist. Man hätte schon gern etwas zurück.
Ein wahrer Karma Yogi aber versucht, Gott in allen Dingen zu sehen, und genauso auch seine Arbeit zu bewältigen. Er verzichtet auf die Früchte seiner Handlung und reinigt damit hübsch sein Herz, übt sich in Toleranz, Demut und erweitert den Blick auf das Leben.
So weit so gut. In manchen Yoga-Stilen wird dazu geraten, mehrmals die Woche Karma Yoga zu verrichten. Gern in den jeweiligen Yoga-Studios, denn die brauchen immer Hilfe. Das macht am Anfang auch irre viel Spaß, man fühlt sich wohl in der Gemeinschaft, schuftet, denn man möchte als Yogi ja gut dastehen. Die Yogalehrer loben hin und wieder, hach, was für ein fleißiger Karma Yogi.
Guter Yogi, fauler Yogi
Natürlich steht man in der Gunst der Yogalehrer und da fängt das Übel an. Emsige Karma Yogis werden gern gesehen, vor allem die mit einem Helfer-Syndrom, die kann man so richtig schön schröpfen, bis hin zur Ausbeutung. Da gibt es manchmal so richtig fiese Machtkämpfe. Guter Yogi, fauler Yogi.
Mein damaliger Yogalehrer meinte mal zu mir, dass es absolut notwendig sei, Karma Yoga im Yoga-Studio oder im Ashram auszuüben. Alles andere würde nicht zählen. Was totaler Unfug ist. Ist es etwa kein Karma Yoga, wenn ich meinem Kind nächtelang das Inhaliergerät vor die Nase halte? Gut, ich erwarte natürlich, dass es wieder gesund wird, vielleicht ist das dann ja doch nicht so ganz uneigennützig.
Ich habe vor meinen Kindern jahrelang Karma Yoga im Yoga-Studio praktiziert. Entweder habe ich umsonst unterrichtet oder in verschiedenen Bereichen ausgeholfen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sich meine Yoga-Praxis dadurch verändert hat. Ich wurde viel flexibler im Geist, ein wenig geduldiger und körperlich durchlässiger. Ich musste aber auch ordentlich Grenzen setzen, damit ich nicht überfordert wurde. Denn ist man erst mal in der Karma Mühle drin, gibt es kein Entrinnen.
Unschön ist es, wenn man ins Yoga-Studio kommt, wirklich mal abschalten möchte, denn der Alltag ist schon mörderisch genug, und man mit Karma Yoga Forderungen getriezt wird. Nein, das geht nicht. Ich rate da zu festen Zeiten, die man dem Yoga-Studio anbietet. Ja, ich weiß, ein Yogi sollte immer bereit sein, aber ich finde, es gibt durchaus auch Grenzen.
Karma Yoga geht überall
Karma Yoga kann man immer und überall praktizieren. Das können Kleinigkeiten sein, wie der kranken Nachbarin mal eine Suppe zu kochen, oder auf die Katze der Freunde aufzupassen.
Besonders Yogalehrer sollten hin und wieder Karma Yoga in ihre spirituelle Praxis integrieren. Momentan kann man das wunderbar in Berlin hier tun, jede Hilfe, jede Unterstützung ist nötig.
Ach ja, wie ihr euch sicher denken könnt, haben die Tomaten nicht überlebt. Das ist aber gar nicht weiter schlimm, denn meine Absicht war eine Gute. Ich habe mich sehr gekümmert. Und natürlich, äh, überhaupt keine Früchte erwartet!
Love & Rockets,
5 Comments
valeriefoe
26. August 2015 at 17:55Liebe Madhavi,
Interessantes und kniffliges Thema, dass du da ansprichst und immer wieder Diskussion bei uns vor der Messe. Meine Kollegin findet es unmöglich, die Yogis so zu benutzen, ich meine, dass jeder darf und keiner gezwungen wird, wir niemanden zu Überstunden oder unmöglichen Diensten zwingen würden und mit Goodies (dieses Jahr gab es Outfits von Mandala!) und Essen+Trinken versorgen. Trotzdem stimme ich ihr zu, dass das ganz unbezahlte Arbeiten ein gewisses ‚Gschmackerl‘ hat….
Für mich war es Türöffner zum neuen Job, wie du ja weißt, insofern ?
Liebe Grüße!
vishnupriya
27. August 2015 at 10:16Liebe Madhavi, danke für das Thema, ich habe da ganz ähnliche Erfahrungen gemacht wie du, du weißt ja schon bei wem 😉 aber es hat mich ganz klar weitergebracht inkl. Abgrenzung, Egokicks, … und ich glaube unsere Welt wäre sehr viel ärmer, wenn Menschen sich nicht auch einfach mal so helfen würden, ohne Ausgleich, ohne etwas zu erwarten… und gerade jetzt gibt es so viele Möglichkeiten, hier noch etwas in Hamburg z.B. hier: https://www.facebook.com/groups/1690912427809859/
Viele liebe Grüße und ein dickes fettes OOOMMHHH
Madhavi Guemoes
27. August 2015 at 10:34Ah, großartig. Danke fürs Teilen. Ja, Du hast so recht!!! Hoffe auf bald mal wieder!
Finn
4. September 2015 at 12:15Danke Madhavi, dass Du auch darüber sprichst! Das ist bei vielen ein tabu. Besonders das mit dem Ausnutzen. Wer glaubt, andere damit kostenlos für sich arbeiten zu lassen, sollte meiner Meinung nach selber mal mehr an seinem Ego arbeiten!
Gerade selbst erlebt: Der Studio-Besitzer meinte am Ende der Stunde, die Schüler sollten jetzt die Werbe-Aufkleber seines Studios mitnehmen und in der Stadt möglichst überall anpappen. Das sei ja Karma-Yoga.
Für mich ist das traurigerweise aber nicht mehr, als andere zu Ordnungswidrigkeiten anzustiften und sie als kostenlose PR-Arbeitskräfte zu benutzen. Er hat sich einfach nur das Geld für echte Werbung und professionelle Verteiler gespart. Aber – uih – sagen darf man sowas in der Yoga-Szene ja meistens nicht.
Madhavi Guemoes
4. September 2015 at 19:23Oha, da hast Du so so recht!