Ich traf die sympathische Yogalehrerin Mirjam Wagner, die auf Mallorca lebt, letztes Jahr zum ersten Mal auf der Barcelona Yoga Conference, als ich zufällig in ihren Yin Yoga Workshop stolperte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie Yin Yoga ausprobiert und war sehr überrascht, dass ich mir tatsächlich einen Platz im Yogaraum erkämpfen musste. Was für ein Andrang! Mirjam ist ein Feuerwerk der guten Laune, und ich war sehr beeindruckt von ihrer Ruhe und Gelassenheit und wollte mehr von ihr erfahren.
Mirjam, erzähl uns ein wenig über dich
Bis zu meinem 25. Lebensjahr bin ich relativ passiv mit dem Strom mitgeschwommen und habe mich so verhalten, wie Familie und Gesellschaft es von mir erwartet haben. Erst als meine Tochter zur Welt kam, bin ich sprichwörtlich aufgewacht und habe feststellen müssen, dass ich eigentlich gar nicht wusste, wer ich wirklich bin.
Meine beiden Kinder waren meine ersten echten, wichtigen Gurus in meinem Leben und haben mich durch ihre eigene Verletzlichkeit und einem unglaublichen Ur-Vertrauen zu meinem eigenen Inneren geführt.
Immer mehr wurde mir der direkte Zusammenhang zwischen seelischem Leiden und körperlichen Beschwerden bewusst und ich begann, mich in Massagetechniken, Pilates, Yoga und schließlich Osteopathie auszubilden, wodurch ich immer mehr Mittel zur Verfügung hatte, über den Körper an die Seele zu kommen und ihr beim Heilungsprozess zu helfen. Heute beschäftige ich mich ausserdem mehr und mehr mit dem unglaublichen Potential unseres Geistes und trainiere bewusste Aufmerksamkeit mit Meditation und Mindfulness.
Ich bin sehr dankbar, dass ich in jungen Jahren zu meiner inneren Stimme gefunden habe und vor allem den Mut hatte, ihr zu folgen, egal wie schwierig die Konsequenzen waren. Heute ermutige und unterstütze ich Menschen dabei durch Yoga, Osteopathie und Mindfulness zu sich selbst und ihrem ‚Dharma’ zu finden, um so in ihre eigene Kraft zu kommen. Körperliche Gesundheit, mentale Klarheit und innere Zufriedenheit und Glück sind die positiven Folgen einer solchen Entwicklung.
Was ist Yin Yoga und warum schreit die ganze Yoga-Welt danach?
Yin Yoga ist die ruhige, nach innen gehende Form von Yoga, wo wir nicht nach Bewegung, sondern nach Innehalten und genauer Hinschauen suchen.In aktiven Yang Positionen stärken wir vor allem die Muskeln und schützen die Gelenke durch korrektes Ausrichten unseres Skeletts.
Mit den entspannenden, meist im Liegen oder Sitzen ausgeführten Yin Positionen erlauben wir den Gelenken im Hüft-, Rücken- und Schulterbereich sich zu öffnen und erreichen so auf sanfte, Art mehr Bewegungsfreiheit (Flexibilität). Die betroffenen Gewebe (tiefliegende Faszien) werden so elastischer und stärker. Gleichzeitig werden die durch die Faszien verlaufenden Energiekanäle (Meridiane) stimuliert, welche unsere Organe in deren vitalen Funktionen unterstützen, sowie lang angestaute Emotionen frei gesetzt.
Ich glaube ganz einfach, dass die Menschen müde sind, vom ständigen Streben nach noch mehr, noch schneller, noch besser. Unsere Körper und unsere Seele können diesem fatalen Rhythmus nicht mehr standhalten und brechen der Reihe nach zusammen: chronische Schmerzen, Dauerstress, Burnouts und Depressionen sind nur einige der Symptome, welche aus der Entwicklung der letzten Jahrzehnte hervorgehen.
Yin Yoga gibt uns die Gelegenheit, innezuhalten genauer hinzuschauen und uns wieder zu spüren, uns wieder als Mensch wahrzunehmen mit körperlichen Empfindungen, emotionalen Reaktionen und einem wachen, regen Geist. Wir sehnen uns oft unbewusst nach einem Ort, wo wir uns selbst sein können, wo wir uns geborgen und aufgehoben fühlen und wo wir unseren Körper und Seele wieder bewusst wahrnehmen dürfen.
Ich bin in deinem Workshop so runtergekommen, wie lange nicht mehr. Was ist dein Geheimnis?
Mein Anliegen ist es, die Menschen zu ihrer Seele zurückzuführen und sie daran zu erinnern dass sie „gut genug“ sind, so wie sie sind, hier und jetzt. Es gibt nichts zu verbessern, nichts zu beweisen, nichts zu verstellen. Ich möchte, dass sie sich wieder liebenswert fühlen, sich zeigen können genau so wie sie in diesem Moment vor mir stehen, sitzen oder liegen.
Diese Einladung hat oft eine ganz starke Wirkung: eine tief liegende Sehnsucht wird berührt, danach, bedingungslos angenommen zu werden und bei sich selber ankommen zu dürfen.
Dein Freund ist auch ein bekannter Yogalehrer, mal ganz unter uns, funktioniert das gut?
Ja, das funktioniert sogar sehr gut und ist ausserdem höchst spannend! David (David Lurey) und ich kennen uns nun schon seit 7 Jahren und sind seit 3 verheiratet. Wir sind beide sehr eigenständig und verschieden und haben jeder seine eigenen Steckenpferde, wo wir unsere individuellen Stärken und Vorlieben weiter ausleben können: David mit der Musik und seinen Touren durch Europe, ich mit Osteopathie und eher therapeutischen Workshops, die ich in verschiedenen Sprachen anbiete.
Unsere gemeinsame Arbeit (Teacher Trainings und Retreats) hat uns über die Jahre noch viel näher gebracht, sie verbindet uns nicht nur, sie fordert uns auch immer wieder dazu auf, an uns zu arbeiten und weiter zu wachsen, jeder in seiner Weise, jeder in seinem Tempo. Gegenseitig halten wir uns immer wieder einen Spiegel vor, so dass wir nicht den Tücken des Egos verfallen, sondern unsere Arbeit zum Wohle unserer Schüler ausrichten.
Gibt es Groupies? Und wie geht ihr damit um?
Natürlich gibt es die, auf Davids Seite sicherlich noch etwas stärker, da es auf dem Yogamarkt proportional gesehen einfach viel mehr Frauen gibt als Männer. Am Anfang unserer Beziehung führte dies bestimmt zur einen oder anderen Diskussion; inzwischen sind wir jedoch ein eingespieltes Team und verhalten uns in der Öffentlichkeit so, dass für Fehlinterpretationen gar kein Platz ist. In der Yogaszene werden wir mittlerweile ganz natürlich als Paar akzeptiert und dementsprechend behandelt.
Warum lebst du auf Mallorca?
Ich wollte unbedingt wieder ans Mittelmeer, wo ich in jungen Jahren schon mal für längere Zeit gelebt hatte. Als ich mich 2004 dazu entschloss, mit meinen damals 9 und 11 jährigen Kindern auf die Insel zu ziehen, hatte ich zwar keinerlei Kontakte oder Freunde hier, aber ein instinktives, sicheres Gefühl, dass wir drei hier eine neue Heimat finden. Die Kinder sprechen heute fliessend Spanisch, Catalan und Englisch, nebst Deutsch, und hatten eine herrlich unbeschwerte Jugend mit einem hervorragenden Schulsystem.
Beide studieren heute in Barcelona und kommen immer gerne nach Hause. Ich habe hier viele wunderbare Freunde und Stammkunden gefunden und hatte das Glück an einer phantastischen Osteopathie Schule die Kunst der ‚Fascia Therapie’ zu erlernen. Und zu unserem unglaublichen Glück haben David und ich uns hier in Ursula Karvens Yoga Studio in Palma kennen und lieben gelernt.
Wie sieht deine eigene Yogapraxis aus?
Normalerweise bin ich zwischen 5 und 5.30 auf meiner Matte. Meistens beginne ich mit einer Stunde Meditation, welche dann in eine weitere Stunde Asanas, Yin und/oder Yang, übergeht. Ich halte diesen Rhythmus an mindestens 5 Tagen in der Woche, gebe mir aber auch den Freiraum, meine Praxis an die wechselnden Anforderungen des Alltags anzupassen (zBsp: Reisen, Krankheit, ect).
Welches Buch hast du in letzter Zeit verschlungen?
The Heart of the Labyrinth von Nicole Schwab.
Ich habe es gleich 2 Mal hintereinander gelesen, das erste Mal habe ich es sprichwörtlich verschlungen, da ich wissen wollte, wo mich dieses Buch hinführt. Das zweite Mal habe ich die Geschichte mehr genossen, konnte verweilen bei einzelnen Passagen und habe bestimmt einen Drittel unterstrichen oder Anmerkungen am Rande gemacht.
Nicole Schwab führt uns mit dieser Geschichte auf magische Weise vom Kopf in den Körper und somit zum Ursprung unserer Seele. Ich habe dieses Buch mittlerweile schon zig mal verschenkt, weil ich spüre, dass wir durch diese einfach jedoch spannend erzählte Geschichte auf instinktive Weise zu unserem Ursprung zurückgeführt werden und wir so leichter unsere eigene Balance zwischen Körper, Seele und Geist wiederfinden können.
Eine Asana, die dich rasend macht?
Der Handstand – mehr im Sinne der Entwicklung in der heutigen Yogaszene als in meiner eigenen Praxis. Ich selbst liebe Handstand und übe ihn auch gerne, jedoch ist diese Position mittlerweile zum Inbegriff eines „erfolgreichen Yogis“ geworden, was absolut am Ursprung dieser vielfältigen Tradition vorbei geht. In meinen Augen wird der Handstand heute für seine ästhetische und akrobatische Wirkung missbraucht und führt den Fokus weg vom Inneren zum Äusseren, was ich sehr bedauerlich finde.
Du bildest auch Yogalehrer aus. Ein Satz, dem du einem Yogalehrer-Neuling auf den Weg geben würdest?
Vertraue dir selbst! Jeder von uns hat seine eigene Art und Weise zu lernen, zu wachsen und dann das Wissen an andere weiter zu geben.
Werden wir dich dieses Jahr wieder auf der Barcelona Yoga Conference sehen?
Ja! Es sind 2 Yin Stunden geplant, eine am Freitag, mit wertvollen Information und Erklärungen zu den Yin Positionen, und dann wieder die Sonntag Yogaklasse, in der David mich mit Gitarre und Gesang begleitet, und wir gelegentlich auch zusammen singen, um die Teilnehmer in ihren ganz persönlichen Entspannungszustand zu führen. Ich freue mich schon jetzt sehr darauf!
Vielen Dank, Mirjam
Fotocredit: Patricia Torales
1 Comment
monika
12. Mai 2022 at 17:29liebe mirjam,
ich bin auf der suche nach einem yoga-studio in palma, wo ich an meinen 5 urlaubstagen an yogastunden
teilnehmen kann (brauch jetzt keinen kurs an sich).
kannst du mir dazu bitte einen tipp geben?
ich werde anfang juni nach palma fliegen.
ich danke dir .
alles liebe
monika