Kai Hill führt zusammen mit der wunderbaren Yogalehrerin Christina Lobe das erfolgreiche Anusara Yoga Studio Yogatribe in Berlin-Mitte. Bevor er erfrischende Handstand-Workshops gab und sich um internationale Gäste aus der Yoga-Szene kümmerte, war er viele Jahre CEO einer Grafik Design Agentur, was ihn aber auf Dauer nicht erfüllte. Er gründete eine Organisation für afrikanische Kinder und beschloss, dass Werbe-Business hinter sich zu lassen. Kai verschwand für eine Zeit in die USA, um zu studieren und kam als Vollblut-Yogi zurück. Man könnte es für Größenwahnsinnig halten, mitten in Berlin, wo es doch Yogastudios und Yogalehrer wie Sand am Meer gibt, ein Yogastudio zu eröffnen. Doch mit viel Liebe, Mut und Leidenschaft geht alles. Sagt Kai. Er lebt mit seiner Frau und zwei entzückenden Kindern im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Ich traf ihn auf einen ausgedehnten Plausch.
Wie bist du zum Yoga gekommen?
Ich bin 1995 in New York zufällig in einem Gym in eine Yogaklasse gestolpert und war umringt von etwa 25 schwer atmenden Hausfrauen. Das war meine erste Erfahrung mit Yoga und fühlte sich komischerweise total gut an. Dann kam ich zurück nach Berlin und habe bei der Yogalehrerin Sabine Mangold jeden Sonntag zwei Stunden Ashtanga Yoga geübt. Das war damals in meinem trubeligen Agenturleben meine Insel, und hat mich über die intensivsten Zeiten gerettet. Die Yogalehrerin war immer super streng, hat nie gelächelt, was mir aber egal war. Es gab noch nicht so ein reiches Yogaangebot. Da war man auch noch nicht so wählerisch. Man durfte damals noch keinem erzählen, dass man Yoga macht, man wurde wirklich belächelt. 2007 war ich in San Diego bei John Friend (Gründer von Anusara Yoga) in einem Teacher Training und habe dort intensiv Yoga praktiziert. Anusara Yoga hat mich komplett in Flammen versetzt.
Warum bist du beim Anusara Yoga hängen geblieben?
Die tantrische Philosophie, die Offenheit, der Community Gedanke, die lebensbejahende Verbindung zum Leben, das sind Eigenschaften, die ich an dieser Yoga-Art liebe. Sozusagen in der Fülle die Erleuchtung finden. Dieser Ansatz liegt mir sehr. Die Idee das Yoga für jedermann ist, frei von irgendwelchen Dogmen. Das Herzöffnende in diesem Yogastil hat bei mir selbst sehr viel aufgebrochen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Wie bringst du Kind und Kegel unter einen Hut? Das ist sicher nicht so einfach, oder?
Das ist auf jeden Fall eine Herausforderung. Es gibt viel mehr Lehrer in der Yogaszene , die keine Kinder haben, was sicher manchmal einfacher ist. Ich habe oft ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht mit ihnen zusammen bin. Momentan arbeitet meine Frau aber wieder, sodass ich die meiste Zeit mit den Kindern verbringe, das genieße ich wirklich sehr. Mein Tipp bei mehreren Kindern: Auch mal nur mit einem Kind etwas Schönes unternehmen, das Telefon ausstellen und sich voll und ganz hingeben.
Du bist viel unterwegs, ständig mit Leuten zusammen, wie kommst du eigentlich zur Ruhe?
Ich bin viel im Außen und verbinde mich gern mit Menschen. Das ist meine Natur. Da ist es natürlich wichtig, sich regelmäßig eine Auszeit zu gönnen. Schon zu Agenturzeiten habe ich immer versucht, mir diese bewusste Zeit zu nehmen. Mittlerweile habe ich mich auch an mich gewöhnt, das ist nicht mehr ganz so anstrengend wie früher. Ich meditiere regelmäßig, versuche immer wieder im Alltag kleine Inseln zu finden, um wieder bei mir anzukommen.
Du hast zusammen mit Tina Lobe das Yoga Studio Yogatribe in Berlin Mitte. Was rätst du Yogis, die ein Yogastudio eröffnen möchten?
Alles was ich mache, entsteht aus vollem Herzen. Aus der Fülle. Man muss das Yoga und das Drumherum einfach wirklich wollen. Für mich ist es immer wichtig, einen Partner an meiner Seite zu haben, mit dem ich wachsen und mich austauschen kann. Ein Yoga Studio sollte man nur eröffnen, wenn man bereit ist, etwas zu opfern. Man muss dafür brennen und voll und ganz darin aufgehen. Es bedarf Mut und Geduld.
Was bringt uns Yoga überhaupt?
Durch Yoga erfahren wir wieder Weichheit und Kraft zugleich. Yoga schafft Offenheit und holt uns aus unserer Schubladenmentalität wieder heraus. Das Bewerten ist so tief in unserer Kultur verankert, durch Yoga können wir wieder, egal in welche Richtung, aufmachen. Yoga bringt Authentizität, Lebendigkeit, wenn man es zulässt.
Welcher Lehrer inspiriert dich momentan am meisten und warum?
Ich habe eine tolle Erfahrung mit Tara Stiles gemacht. Es ist beeindruckend, wie sie Yoga lebt und neu definiert. Sie leistet unheimlich viel und beklagt sich nie. Sehr inspirierend. Es sprudelt alles so aus ihr heraus. Als sie anfing, Yoga zu unterrichten, hat sie ein halbes Jahr umsonst im Central Park unterrichtet, im Winter in ihrer Wohnung – bis sie nach drei Jahren ein Yoga Studio eröffnet hat. Sie hat immer ihr Ding durchgezogen und nicht auf ihre Kritiker gehört, sondern immer ihre Leichtigkeit erhalten. Eine beeindruckende Persönlichkeit.
Wie siehst du die Yogaszene?
Alle versuchen ihr Ego loszuwerden, machen auf nett, aber in Wirklichkeit sieht es leider anders aus. Ich finde das echt anstrengend. Der Markt ist total übersättigt. Es herrscht Yogalehrer-Krieg, jeder versucht etwas vom Kuchen abzubekommen. Ich kenne Leute, die wieder in der Laufgruppe sind, weil ihnen die arrogante Yogalehrer-Attitüde auf die Nerven geht.
Wo siehst du dich in fünf Jahren?
Wir haben viel mit dem Studio vor. Ich möchte meinen Job gut machen und meine Leidenschaft und Liebe weiterhin in die Dinge stecken, die mir Freude bereiten. Ich hoffe, dass es in fünf Jahren wieder mehr ums Yoga geht und nicht nur ums Business. Auch wünsche ich mir mehr Menschlichkeit.
Dein Hotspot in Berlin?
Das Soho House. Da kann ich richtig entspannen. Wir haben auch einen Garten am Liepnitz See, da hänge ich am liebsten in der Hollywood-Schaukel rum.
Ein Buch, das dich inspiriert?
Play of Consciousness von Baba Muktananda
Danke, Kai!
Mehr zu Kai Hill findet ihr hier:
www.kaihill.de
Fotocredit: Boaz Arad
3 Comments
Fräulein Julia
7. Oktober 2015 at 8:52Ein sehr schönes Interview! Ich mag das Yogatribe sehr gerne, weil es so wundervoll ruhig dort ist – und das mitten in Mitte.
Line
7. Oktober 2015 at 13:00Wirklich fein zu lesen und ein sehr sympatischer Mann!
VlG Line
Sanna
11. Oktober 2015 at 20:16Ganz ehrlich? Ich finde so manche Aussage schizophren. Einerseits bemängeln, es gehe in der Szene zu viel ums Geldmachen, aber dann das Sohohouse als Entspannten Ort empfehlen. Mehr Kommerz und Kühle als im Sohohouse gibts höchstens an der Austernbar des KaDeWe…